„Die Zukunft ist digital“ – CAD im Unterricht
Aktuell finden an den bayerischen Berufsschulen Zwischenprüfungen statt – zum allerersten Mal müssen die angehenden Zimmerer dabei aber nicht nur händisch zeichnen, sondern sich auch in CAD beweisen. Grund genug, an einer der bayerischen Berufsschulen nachzufragen, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf den Schulbetrieb hat.
Bei unserem Besuch am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum in Immenstadt (BZI) interessierte uns sowohl die Wahrnehmung der Schüler – weshalb wir mit sechs Auszubildenden im dritten Ausbildungsjahr gesprochen haben – als auch die Beurteilung durch Johannes Schmölz, der für den Fachbereich Zimmerer verantwortlich ist.
An der Berufsschule Immenstadt werden aktuell circa 2.100 Schüler in 16 verschieden Berufen unterrichtet, davon erlenen rund 500 den Beruf des Zimmerers bzw. der Zimmerin. Das bedeutet, dass Johannes Schmölz für 18 Klassen in der Allgäuer Berufsschule zuständig ist. Schnell wurde im Gespräch mit dem Oberstudienrat deutlich, dass der Fachkräftemangel seit circa drei Jahren einen immensen Einfluss auf die Unterrichts- und Lehrplangestaltung hat. Schmölz selbst ist seit 2013 an der Schule tätig, und seit 2021 Fachgruppenbetreuer Zimmerer. Der fachliche Unterricht für die angehenden Zimmerer findet zu 100 Prozent durch die vorhandenen neun Lehrer, inklusive einem Referendar, statt. Weitere Fächer wie Deutsch oder Sozialkunde werden von der Wirtschaftsabteilung der Schule unterrichtet.
Dennoch wären allein für den fachlichen Unterricht weitere fünf oder sechs Lehrerstellen zu besetzen – doch es fehlt an Lehrern. Die vom BZI genannten Zahlen lassen erahnen, wie Schmölz und die Schulleitung um Peter Eisenlauer und Birgit Klawitter hier täglich jonglieren müssen, um den Schülern eine adäquate Wissensvermittlung zukommen zu lassen.
An den Nachmittagen kann daher häufig kein Unterricht durch Lehrpersonal stattfinden. Um den Schülern dennoch eine Möglichkeit des Lernens zu bieten, wurde ein Tutorenprogramm eingeführt. In jeder Klasse stehen dafür die besten Azubis zur Verfügung. Sie können von Schülern angesprochen werden, um dann gemeinsam Dinge aus dem Unterricht zu wiederholen und zu vertiefen. Das Angebot wird gut genutzt, ist aber bei den Unternehmern leider zu wenig bekannt. Sie könnten ihre Lehrlinge viel mehr dazu anhalten so ihre Lerndefizite zu mindern.
CAD Bestandteil im „normalen Unterricht“
Früher wurde Zeichnen am PC an der Berufsschule Immenstadt in extra dafür vorgesehenen Unterrichtsstunden im Computerraum geübt. Wie alle Grundlagen, wurde auch der Umgang mit CAD schon im BGJ vermittelt. Dies hat sich nun geändert, da CAD zukünftig Prüfungsbestandteil ist. Dabei geht es generell nicht darum, SEMA- oder Dietrichs-Experten auszubilden, sondern einfache Grundlagen in 2-D zu vermitteln.
Jetzt wird im Unterricht gerechnet und sobald das Ergebnis gezeichnet werden soll, steht den Schülern frei, dies händisch oder am PC zu erledigen. Da zukünftig beides in der Zwischen- wie der Gesellenprüfung abgefragt wird, müssen die angehenden Zimmerer beides lernen und bis zur Prüfung beherrschen. Riccardo Karlinger schätzt genau diese Abwechslung des Unterrichts am BZI Immenstadt.
Schmölz gesteht: „Seit CAD Prüfungsbestandteil ist, versuchen wir, das deutlich mehr in den normalen Unterricht zu integrieren. Ich schätze, das macht pro Woche schon so vier bis fünf Stunden aus, also circa ein Viertel der Unterrichtszeit.“ Für das Zeichnen am PC sind die Schüler aufgerufen, Laptops mit in den Blockunterricht zu bringen. Zum Teil handelt es sich dabei um private Geräte, einige kriegen aber auch Exemplare vom Ausbildungsbetrieb geliehen oder gar gesponsert. Diese Umsetzung kommt nicht bei allen Schülern gut an. Joshua Münzer: „Ich verwende einen Laptop meiner Familie, der fehlt dann Zuhause, während ich im Blockunterricht bin.“
„Manche Betriebe nutzen das bewusst als Köder. Sie bieten den Lehrlingen einen Laptop, der bei gut bestandener Prüfung behalten werden darf. Das ist ein Bonbon und Ansporn für den Auszubildenden. Es hat auch Vorteile gegenüber anderen Branchen, wo das schon üblich ist., meint Martin Paul Gorchs, Referent für Aus- und Fortbildung beim LIV.
„Am Nachmittag stehe allen Schülern der Computerraum zur Verfügung, um auch ohne Laptop das CAD-Zeichnen zu üben. Es gebe also für niemanden eine Ausrede, das Zeichnen am PC aufgrund fehlenden technischen Equipments nicht zu beherrschen“, ergänzt Johannes Schmölz.
Der Blockunterricht bringt in Sachen CAD-Nutzung Vor- und Nachteile mit sich. Markus Driendl lobt, dass so intensiver an einzelnen Inhalten, wie beispielsweise dem Zeichnen am PC gearbeitet werden könne, als bei einer Stunde Unterricht pro Woche. „Ich verstehe die Inhalte besser, weil die Zusammenhänge klar sind“, erklärt Riccardo Karlinger. Franziska Merkle kritisiert allerdings, dass zwischen den einzelnen Blöcken viel Zeit liege und einiges wieder vergessen werde.
Und nicht nur Häufigkeit und der Ort fürs CAD habe sich laut den Schülern verändert: Das Tempo und die Anforderungen beim Zeichnen haben sich deutlich erhöht“, berichtet Tim Weber. Joshua Münzer stimmt zu und ergänzt: „Der CAD-Unterricht in der Schule könnte noch verbessert werden. Für andere Zeichenprogramme habe ich richtig gute Tutorials gefunden, die genau die einzelnen Schritte erklären und im individuellen Tempo absolviert werden können.“
BGJ-Überspringer benötigen geänderte Unterrichtsgestaltung
Tim Weber, selbst Quereinsteiger mit Abitur, erzählt, sein Nachbar sei gerade im BGJ und lerne das Zeichnen am PC dort ganz in Ruhe und habe richtig viel Zeit zu üben. Das ist natürlich eine gewisse Herausforderung für die Azubis, die das BGJ überspringen können.
In den Fachklassen im Zimmererhandwerk gehe es beim Zeichnen laut Schmölz um den konstruktiven Charakter dahinter, nicht nur um die Zeichnung an sich: „Ich muss wissen, welche Linie ich beispielsweise bei der Schiftung mit welchem Punkt verbinde. Egal, ob ich den Strich mit dem Bleistift oder in CAD mache.“ So berichtet Felix Prutscher begeistert, dass er Pläne grundsätzlich viel besser lesen kann, seit im Unterricht am PC gezeichnet wird.
Dennoch bestätigt Schmölz auch Tim Webers Eindruck: „Die BGJ-ler können das Zeichenprogramm SEMA größtenteils zuverlässig bedienen. Früher wurde in den Fachklassen quasi gar keine Zeit mehr für CAD verwendet, das mussten wir nun ändern. Den Quereinsteigern fehlt dieses Wissen und wir müssen ihnen das nun unbedingt vermitteln, damit sie keine Nachteile in den Prüfungen haben.“ Das betrifft in Immenstadt in etwa ein Viertel aller angehenden Zimmerer.
Das weiß Franziska Merkle, die selbst das BGJ übersprungen hat, zu schätzen. Dennoch sieht sie die Einführung kritisch: „Ich finde wichtig, dass wir die Grundlagen des CAD lernen, Prüfungsinhalt sollte es aber meiner Ansicht nach nicht sein. Ich bin der Meinung, dass wir in der Schule nicht genug Zeit haben, um das intensiv zu lernen. Uns fehlt ja eh schon Unterrichtszeit, weil Lehrer fehlen. Dass CAD dann jetzt Prüfungsrelevant wird, ist super ungünstig, weil eh schon so viel hinten runterfällt.“
Die Zukunft ist digital
„Es gibt Schüler, denen das Arbeiten mit dem Computer gar nicht liegt. Das gilt dann auch für CAD. Das sind so richtige „Schaffer“, wie man bei uns im Dialekt sagt. Die sind in der Praxis top, aber am Laptop ist deutlich Luft nach oben“, berichtet Johannes Schmölz. Zu dieser Kategorie zählt sich auch Tim Weber, der auf dem Land ohne Computer aufgewachsen ist und als Kind immer draußen gespielt hat. „Das Digitale ist nicht meine Welt. Für mich ist es also relativ schwer, CAD zu lernen.“
Markus Driendl findet Zeichnen am PC wichtig und zeitgemäß, da „im Betrieb ja auch nicht mehr auf der Zeichenplatte, sondern digital gezeichnet wird.“ Sein Klassenkamerad Riccardo Karlinger ergänzt, dass es auch wichtig sei, einen Einblick ins Zeichnen zu bekommen, da diese Aufgabe in den Betrieben ja von Meistern bzw. nur bestimmten Personen durchgeführt werde. Das CAD dürfe nicht zum Schwerpunkt werden, aber das aktuelle Ausmaß sei für ihn genau richtig.
Selbst Computermuffel Tim Weber gibt zu, dass ohne den PC ja nichts mehr gehe und CAD wichtig sei, falls eine weitere Qualifizierung, beispielsweise zum Meister, angestrebt sei. Joshua Münzer fast zusammen: „Die Zukunft ist digital, also müssen wir da frühzeitig einen Einblick bekommen.“